Die grüne Leder-Dienstjacke liegt auf dem Sofa parat, sorgfältig eingerahmt von drei Dienstmützen aus unterschiedlichen Jahrzehnten. Schon die über Jahre aufbewahrten Uniformteile des 80-jährigen Hugo Flunkert machen deutlich, wie viel Polizeigeschichte er und seine Familie erlebt haben.
Flunkert hat seine Begeisterung für die Polizei an seine Kinder und Enkelkinder weitergegeben. Auch Sohn Andreas und Tochter Monika – die mittlerweile den Nachnamen Kasper trägt – haben sich für eine Karriere bei der Polizei NRW entschieden. Das neueste Mitglied der Polizeifamilie ist Enkelkind Neele Kasper, die 2019 ihr Studium bei der Polizei NRW begonnen hat.
Es ist das Verständnis für die Erlebnisse des anderen, das die Familienmitglieder aus Iserlohn prägt. Doch so gleich ihre Entscheidungen für die Polizei sind, so unterschiedlich waren ihre Wege dorthin – denn an den drei Generationen lässt sich auch die Entwicklung der Polizei NRW und ihrer Ausbildung ableiten.
Ein Zufall führte Hugo Flunkert zur Polizei
„Ursprünglich habe ich etwas ganz anderes gelernt“, erinnert sich Hugo Flunkert. Er war Klempner und Installateur in Holzwickede, schloss seine Ausbildung ab und kam durch einen großen Zufall mit der Polizei in Berührung. „Ein Nachbar hat mir damals erzählt, dass die Polizei weitere Verstärkung gebrauchen kann“, so Flunkert. Schnell war für ihn klar: Ich möchte einen neuen Weg einschlagen.
Also begann er im Mai 1959 seine Ausbildung bei der Polizei in Münster und Linnich, die damals noch anderthalb Jahre dauerte. Anschließend führte ihn sein Weg nach Schwerte und Iserlohn-Letmathe sowie zur Kripo Iserlohn, wo er als Hauptkommissar tätig war.
„Die Polizei war schon immer ein Teil meines Lebens“, sagt Flunkerts Tochter Monika Kasper. „Ich weiß noch ganz genau, wie ich mir als Kind die Wache anschauen durfte.“ Es sind Erfahrungen wie diese, die Kasper schon früh geprägt haben.
Polizei war für sie etwas ganz Normales, mit dem sie aufgewachsen ist. Kein Wunder also, dass sie nie einen anderen Wunsch hatte, als später bei der Polizei zu arbeiten. Dass sie neben diesem großen Wunsch nie eine Alternative durchdacht hatte, merkte Kasper am ersten Tag ihres Auswahlverfahrens.
Ausbildung bis 1995 für den mittleren Dienst
„Zum ersten Mal in meinem Leben dachte ich mir: Ich habe gar keinen Plan B. Was mache ich denn, wenn ich nicht genommen werde?“, sagt Kasper. Doch glücklicherweise musste sie sich nie einen Gedanken über ihren Plan B machen. Im Oktober 1992 startete sie mit ihrer Ausbildung in Schloß Holte-Stukenbrock.
Zweieinhalb Jahre dauerte die Ausbildung von Monika Kasper. Für sie ging es im Anschluss in die Hundertschaft nach Wuppertal, ehe sie 1996 in den Märkischen Kreis wechselte. Nach dem erfolgreichen Aufstieg in den gehobenen sowie in den höheren Dienst ist sie seit Oktober 2020 als Leitung des Bereichs „Polizeiliches Krisenmanagement“ an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) tätig.
„Bei der Polizei kann man alles vereinbaren und man kann sich immer wieder verändern, wenn man hartnäckig und manchmal auch geduldig ist“, sagt Kasper. Egal ob im Streifendienst, im Büro, als Pilot, Bootsführer oder Pressesprecher: Die Polizei vereint ganz unterschiedliche Berufsfelder, in denen die Beschäftigten tätig sein können.
Die Mutter als Vorbild
All das hat Monika Kasper auch ihrer Tochter mit auf den Weg gegeben. „Für mich war es ganz normal, mit dem Thema Polizei aufzuwachsen“, sagt Neele, die sich gut erinnern kann, wie sie als Kind die Wache ihrer Mutter besuchen durfte. „Meine Mutter war und ist mein Vorbild, also wollte ich auch zur Polizei.“ Dabei hat Monika Kasper ihrer Tochter nicht nur die positiven Seiten des Berufs geschildert, sondern auch von den Belastungen und Herausforderungen berichtet.
Neele sollte wissen, was sie bei der Polizei erwarten würde. Monika Kasper und ihr Mann wollten ihre Tochter weder intensiv bekräftigen, zur Polizei zu gehen, noch dagegen sprechen. Neele sollte ihre Entscheidung ganz allein treffen. Neele Kasper durfte erstmals in der neunten Klasse Polizeiluft schnuppern. Beim Polizeipräsidium Bochum absolvierte sie ein zweiwöchiges Praktikum und konnte sich unterschiedliche Bereiche anschauen. „Das hat mir so viel Spaß gemacht, dass ich mir endgültig vorstellen konnte, Polizistin zu werden.“
Am liebsten hätte sie sofort bei der Polizei angefangen, doch sie musste sich noch bis nach ihrem Abitur gedulden und entschied sich zusätzlich für ein Freiwilliges Soziales Jahr. 2019 startete sie in ihr Studium. „Wenn ich die Ausbildung damals mit heute vergleiche, sehe ich schon deutliche Unterschiede“, sagt Monika Kasper. Frontalunterricht mit viel Theorie im Klassenverband war zu jener Zeit der Standard, wenn es nicht gerade um die fachpraktische Ausbildung ging. „Was die Studenten heute lernen, finde ich beeindruckend.“ Immerhin hat sich im Laufe der Jahre viel getan in der Ausbildung der Polizistinnen und Polizisten.
Polizeiausbildung im Wandel
1995 hat die Polizei NRW für den mittleren Dienst die Modulausbildung eingeführt: eine neu konzipierte, an den Bedürfnissen des Polizeivollzugsdienstes orientierte, integrative Ausbildung. Theorie und Training fanden dabei in einer Behörde statt. Hinzu kamen Praktika in den Polizeibehörden. Gleichzeitig stand die Praxis bei der Ausbildung viel mehr im Fokus als zuvor. Neben polizeilichem Grundwissen wurden an verschiedenen Leitthemen alle für die Einsatzsituation zu vermittelnden Ausbildungsinhalte in Unterweisungen, Rollenspielen und Übungen zusammengeführt und verknüpft. Durch die Umstellung auf die zweigeteilte Laufbahn erfolgte 2001 letztmals die Einstellung und Ausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst.
Nach vollständiger Einführung der zweigeteilten Laufbahn gibt es seit 2002 nur noch den Direkteinstieg in den gehobenen Polizeivollzugsdienst. Die Ausbildung erfolgte zunächst im Diplomstudiengang mit fachwissenschaftlichen und fachpraktischen Studienabschnitten (Trainingspraktika) sowie dem Haupt- und Abschlusspraktikum. Seit 2008 erfolgt die Ausbildung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst in zehn Einstellungs- und Ausbildungsbehörden in einem dreijährigen Bachelorstudiengang.
Das Bachelorstudium ist eine moderne Berufsausbildung mit einem hohen Praxisanteil, die auch die soziale und kommunikative Kompetenz stärkt. Dabei wird auf eine enge Verzahnung zwischen Theorie, Training und Praxis (sogenannter „Dreiklang“) gesetzt: Die Vermittlung der theoretischen Studieninhalte erfolgt durch die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV NRW) an zehn Standorten. Ein weiteres wichtiges Element ist die sich stets wiederholende Abfolge der Ausbildungsabschnitte. Das an der HSPV NRW erlernte Theoriewissen wird beim LAFP NRW in realitätsnahen Rollenspielen und Übungsszenarien trainiert und im weiteren Verlauf im Praktikumseinsatz in den Polizeibehörden angewandt. Diese Form des „Dreiklangs“ hat sich in den vergangenen Jahren umfassend bewährt.
Brüder wollen es Neele nachmachen
Auch wenn sich die Ausbildung in den vergangenen Jahrzehnten stark weiterentwickelt hat, so können die Familienmitglieder noch gut nachvollziehen, was ein Einsatz mit einem macht und wie sich der andere fühlt. „Nach meinem ersten Spätdienst ist meine Mutter extra wachgeblieben, um zu hören, wie es bei mir gelaufen ist“, erinnert sich Neele Kasper, die aktuell ihr Praktikum beim Polizeipräsidium Bochum absolviert. „So kann man besser verarbeiten, was man erlebt hat und was in einem vorgeht.“
Gleichzeitig ist Monika Kasper sicher, dass der Polizeiberuf den eigenen Charakter prägt. So musste sie unter anderem Eltern mitteilen, dass deren Kind tödlich verunglückt ist, und erlebte ihr Leid hautnah mit. „Der Beruf hat mich Dankbarkeit und Demut gelehrt, weil ich immer wieder Schicksale miterlebt habe, von denen wir verschont geblieben sind.“
Kein Wunder also, dass schon die nächsten Familienmitglieder gerne bei der Polizei arbeiten möchten. Lasse und Finn würden es ihrer Schwester Neele gerne nachmachen, doch sie müssen sich noch etwas gedulden. Aber es sieht danach aus, als ob die Polizei NRW noch weiteren Zuwachs aus dem Hause Kasper bekommt.